Theater der Zeit

Pilzblau mit einem Schuss Neonrot

von Kerstin Schröder

Erschienen in: Gottfried Pilz – Bühne Kostüm Regie (09/2024)

Celan, Staatstheater Mainz 2003
Celan, Staatstheater Mainz 2003Foto: Karen Stuke

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Im dunklen Theater sitzen, mit großen Augen die Bilder aufnehmen und das Zusammenspiel von Ton- und Farbwelten ge- nießen – dies sind besondere Momente. In den von Gottfried Pilz präzis gestalteten Räumen gelingt ein Abtauchen in Lichtstimmungen, entstehen Freiräume für die eigene Fantasie.

Pilz hat von 1970 bis 2021 als Bühnen- und Kostümbildner größtenteils für das Musiktheater gearbeitet. Seine im Lauf der Jahre zunehmend abstrakte und minimalistische Bildsprache entwickelte er durch das intensive Studium von Libretto und Partitur konstant weiter. Während er die Musik hörte und die Texte las, kamen die Ideen, die er zeichnerisch sofort umsetzte. Er formulierte es so: »Es muss aus der Hand herauskommen und nicht aus dem Kopf.«

Uraufführungen und zahlreiche Wiederaufnahmen vergessener Werke des 20. und 21. Jahrhunderts gehören zu seinem Repertoire. Gottfried Pilz hat an allen wichtigen Opernhäusern in Europa und weltweit gearbeitet. Seit 1993 führte er auch Regie. Über seine Tätigkeit am Theater hinaus wurde er auch mit Ausstellungen wie »Reflexe« (1988) und »Aus-Grenzen« (1990) sowie Illustrationen für Kinderbücher bekannt.

Sehr besonders war für Gottfried Pilz seine Zeit mit Regisseur John Dew am Theater Bielefeld. Zusammen mit Intendant Heiner Bruns und Chefdramaturg Alexander Gruber wirkten sie von 1982 bis 1992 am »Bielefelder Opernwunder« mit. Dort lernte ich ihn 1986 beim Hospitieren im Bereich Bühnenbild kennen und erlebte die Faszination, die seine feinfühligen Ausstattungen vor und auch hinter der Bühne auslösten. Die Begeisterung für Pilz’ Arbeiten nahm ich mit in mein Grafik- Design-Studium und es entstand eine kunstwissenschaftliche Arbeit, die als Buchgestaltung Diplomthema wurde. »Pilzblau« ließ mich seitdem nicht mehr los.

Ähnlich erging es Karen Stuke in den 1980er-Jahren, die ebenfalls durch die Bielefelder Operninszenierungen auf Gottfried Pilz aufmerksam wurde. Sie studierte Foto-Design, absolvierte ein Praktikum beim Theaterfotografen und schloss ihr Studium mit Camera-obscura-Aufnahmen von Pilz-Ausstattungen ab. Gottfried Pilz war begeistert von dieser Art der Fotografie – eine ganze Oper in einem Bild zu sehen. Fortan dokumentierte Karen Stuke etliche seiner Ausstattungen und erstellte darüber hinaus von den Bühnenbildern künstlerische Fotografien mit der Camera obscura, die in dieser Publikation zu sehen sind.

Dieses Buch zeigt einen konzentrierten Ausschnitt aus dem umfangreichen Schaffen von Gottfried Pilz. 15 von rund 250 Arbeiten werden in chronologischer Reihenfolge vorgestellt: »Lasst Bilder sprechen ... «

Für die Auswahl der Opern, die intensive Zusammenarbeit und ganz besonders für das Vertrauen in dieses Projekt danke ich Gottfried Pilz von Herzen. Ich bin glücklich über das im Zuge dieser Arbeit entstandene Pilz-Team, über den konstruktiven Austausch und die gemeinsame Ideenentwicklung. Hierfür danke ich sehr Bärbel Reißmann und Bettina Machner vom Stadtmuseum Berlin, die die Exponate digitalisiert und das Werkverzeichnis komplettiert haben. Sie ermöglichten mir von 2021 bis 2024 auf hervorragende Weise, im Archiv zu recherchieren. Weiterhin danke ich Karen Stuke für die atmosphärischen Fotografien und die brillante, kollegiale Mitarbeit sowie Karen Fries für die wertvollen Informationen zu den Ausstattungen sowie die Rekonstruktion einiger Bühnenbildmodelle. Darüber hinaus danke ich Jochen Diederichs für die gelungene textliche Überleitung zum Camera-obsura-Teil.

Allen weiteren lieben Menschen, die mir mit Rat und Tat wie finanzieller Unterstützung zur Seite standen, sei ebenfalls herzlich gedankt. Großzügig gefördert haben die Herstellung der Publikation das Stadtmuseum Berlin, der marehalm ART award, die Hanns Bisegger Stiftung und der Richard-Wagner-Verband Berlin-Brandenburg.

Wenn ich spontan an ein Bühnenbild von Gottfried Pilz denke, kommt mir zuerst ein intensiver Blauton in den Sinn. Kurz darauf blitzt ein Neonrot auf – überraschend, ironisch, humorvoll. Das farbige Licht löst sich auf – die Zeit löst sich auf.

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