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Erschienen in: Letzter Vorhang (05/2017)
Erst im folgenden Jahr, wir wohnten bereits Monate zusammen in der Solinger und ich begann mir Vorstellungen über unser Verhältnis zu machen, kühne Vorstellungen über ein alle Zeiten und deren Unbilden überdauerndes Verhältnis, brachte ich es schließlich über mich, Candice zu erzählen, was nach dem Kuckucksfest an jenem Abend weiter geschehen war. Das Geständnis schien sie damals weniger berührt als amüsiert zu haben, was mich wiederum mehr berührte als amüsierte.
Sie fragte: „Du bist doch nicht immer noch sauer deswegen?“
„Ich bin nie sauer deswegen gewesen. Und jetzt bin ich erleichtert.“
„So siehst du gar nicht aus.“
„Mein Gesicht ist oft nicht imstande, Empfindungen adäquat widerzuspiegeln.“
„Das habe ich schon gemerkt. Es ist aber nicht nur das Gesicht.“
„Was noch?“
„Deine Hände zum Beispiel. Als versuchtest du, eine Nuss zu knacken.“
„Und dir macht die Geschichte nichts aus?“
„Ausmachen? Nicht nach einem Jahr.“
„Und hätte ich sie dir vor sechs Monaten erzählt?“
„Das ist zu hypothetisch. Du hast mich eben unbedingt haben wollen, nicht wahr?“
An jenem Abend hatte ich mich vor dem Meliá-Hotel auf das erste Taxi, oder genauer gesagt, über das erste Taxi gestürzt, denn der Wagen war bereits angefahren, gewiss um die torkelnde Gestalt, die ich abgab,...