3. How to perform
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Kritik des Theaters (04/2013)
Im Alltag wie im Theater steht die Verwandlungsbereitschaft heute hoch im Kurs. Die Vielfalt der Milieus einer postmodernen Konsum- und Arbeitswelt und die Fülle der emotionalen Reizungen und Identifikationsmöglichkeiten treiben das Erleben und den Ausdruck zu immer neuen Variationen von Leben. Die Bewertung aller Ereignisse als kontingent ist so sehr zur allgemeinen Weltsicht geworden, dass weder der Zwang zur Flexibilität noch die Grundlosigkeit aller Entscheidungen ein spürbares Unbehagen verursachen. Die Postmoderne hat die Gefühle von Entfremdung in einen Strudel von Möglichkeiten verwandelt, die als Kontingenzen nunmehr wie Freiheit erscheinen. Die Entfremdung und ihr Gefühl der Verlorenheit, die Beschleunigung und ihre Erschöpfung sind so ununterscheidbar ineinander verschlungen, dass jedes Bemerken als Symptom einer Lebensuntauglichkeit erscheint. Die Kontingenz wird zum Signum der Epoche, die allen alles verspricht, solange sie funktionieren. Kontingenz ist die Freiheit der Tüchtigen und die Kontingenz-Kompetenz findet ihren zentralen Begriff im Handlungskonzept des Performativen.
Die Postmoderne nutzt das Performative als Theorie, um Handlungen als Aufführungen beschreiben zu können, und zugleich wendet sie die Performativität auf sich selbst an, womit sie zu einem rekursiven Handlungsbegriff kommt. Das Verhältnis zwischen dem realitätserzeugenden Anteil von Handlungen und deren phänomenaler Erscheinung wird hierbei als rekursive Bewegung gedacht. Das Handeln verändert die Bedingungen seines...