Magazin
Geschichten vom Herrn H.
In Bewegung kommen
von Jakob Hayner
Erschienen in: Theater der Zeit: Nino Haratischwili: Fürchtet den Frieden (10/2018)
Die Welt ist dringend verbesserungswürdig, doch die herrschenden Verhältnisse verhindern dies. Wie man es trotzdem bewerkstelligen könnte, darüber streiten die daran Interessierten seit Jahrhunderten. Es geht um Ziele und Mittel, um Strategie und Taktik, und das angesichts der sich in Widersprüchen vollziehenden Geschichte. Um bei aller Widersprüchlichkeit die richtigen Dinge zu tun und die Konsequenzen von Handlungen abschätzen zu können, hat man die Dialektik ersonnen. In der Antike schon erprobt, wurde sie in der Moderne von Hegel und seinen Schülern wieder zur Blüte gebracht. Einer der Vorzüge der Dialektik ist, dass sie Wirklichkeit und Ideal vermittelt. Gerade dieser Aspekt scheint inzwischen gründlich in Vergessenheit geraten zu sein. Realität und Utopie stehen inzwischen vermittlungslos nebeneinander. Fortschritt wird als Problem individueller Anerkennung, nicht als gesellschaftliche Frage verstanden. Doch was passiert, wenn Ideal und Wirklichkeit auseinanderfallen? In Peter Hacks’ Aristophanes-Bearbeitung von „Die Vögel“ sollen alle im Namen der „Vogelfreiheit“ von einem Turm springen – was natürlich scheitert, scheitern muss. Das Thema des Stücks sei, schrieb Hacks, dass „eine neue Linke das Denken aufgibt und von der Vollkommenheit schwärmt; unausrottbar wird das Äußerste verlangt und das Tunlichste missachtet“.
Wann also lohnt es, vom Unmöglichen und wann vom Möglichen zu sprechen? Eine Rhetorik, die beides...