Seit Erving Goffman behauptete, dass wir alle Theater spielen, ist das Rollenspiel für Soziologen eine brauchbare Metapher für die Beschreibung sozialer Interaktion. In der März-Ausgabe von Theater der Zeit nahm sich Dirk Baecker der Thesen Goffmans an und kam zu der überraschenden Erkenntnis, dass wir nicht mehr Theater spielen, sondern Vertrauensspiele und dass die Funktion des Theaterspielens darin besteht, uns in eine paradoxe Rolle einzuüben: „Identifiziere dich nicht mit deiner Einmischung.“
Bernd Stegemann, der die Reihe nun fortführt, stellt den Unterschied zwischen der soziologischen Metapher des Theaterspielens und der künstlerischen Ausdrucksform des Schauspielens heraus, der im postdramatischen Theater zusehends verschwimmt. Er beschreibt die ästhetischen und ideologischen Implikationen des Schauspielens, um das Theater schließlich wieder als mimetische Kunst zu denken.
Im Mai und Juni folgen die Antworten von Wolfgang Engler und Juliane Rebentisch.
Wenn wir alle Theater spielen, was macht dann eigentlich der Schauspieler? Er spielt zur Schau, könnte eine launige Antwort sein. Und vielleicht steckt in dieser Laune auch schon ein erster Hinweis auf die Kraft, die in der sinnlichen Darstellung sozialer Bedeutungen liegt. Doch gerade diese Verbindung von Spielen und Zeigen scheint in eine Glaubwürdigkeitskrise geraten zu sein. Als Reaktion darauf hat sich das Schauspielen seit den 1990er Jahren...