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In Kafkas Bau
Das Internationale Theaterfestival Pilsen widmet sich dem wachsenden Unbehagen an der Zivilisation
von Klara Nitsch
Erschienen in: Theater der Zeit: Freude verdoppelt sich, wenn man sie teilt – Geld nicht. – Lukas Bärfuss (01/2017)
Die Erwartungen an das diesjährige Programm des Internationalen Theaterfestivals Pilsen waren weit und vage gefasst. Festivaldirektor Jan Burian proklamierte „exzellente Theaterkunst“ auf dem „Niveau bewährter, neuer und Umbrüche signalisierender Trends des europäischen Theaters“, erprobt am Blick auf „starke soziale Themen“. Etwas konkreter klingt es in den Worten Dora Viceníkovás vom Festival Board, die eine Klammer in dem Versuch sieht, die heutige Welt vor allem in „dunklen Tönen“, in der „Offenlegung von Hoffnungslosigkeit“ und in „verstörender Form“ zu skizzieren.
Jenseits direkter Ansprache sickerten, im Sinne von Egon Friedells kulturgeschichtlicher „Idee vom unterirdischen Verlauf historischer Wirkungen“, unübersehbar Befindlichkeiten der heutigen Zeit aus den Rissen der meisten Inszenierungen. Die verstörende Grundstimmung ist wohl am besten als Unbehagen an der Zivilisation zu fassen. Das Ausloten derselben, egal ob als großer politischer und sozialer Kosmos oder als kleine Welt von Familie, sozialer Gruppe oder Nachbarschaft, erzeugt Beklemmung. Ob integriert in diese oder in isolierender Ausgliederung mehren sich Verstörung, Hilflosigkeit, Depression sowie Erfahrungen von Zwang, Stillstand und Ohnmacht. Integration in den zivilisatorischen Momentzustand oder Isolation führen gleichermaßen nur zu scheinbaren Lösungen. Die Frage ist, welche Möglichkeiten und Fähigkeiten der Mensch hat, in den gegebenen Gesellschaftsformen eigene Orientierungen und Lebensformen zu finden. Was bleibt im Spektrum von...