Unkonventionell bleiben
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Meine zweite Arbeit am Gorki (nach Heiner Müllers Zement) war ein Brecht-Abend, Dickicht. Wir haben dafür fünf Wochen lang einen Film gedreht, weil wir eine Trennung der Elemente wollten, und die Endproben wurden dazu genutzt, diesen Film mit dem Geschehen auf der Bühne zu koordinieren. Quasi ein Verfahren von Synchronisation. Für mich war entscheidend, dass Shermin Langhoff und ihr Team das mitgetragen haben: Okay, ihr bekommt für fünf Wochen ein Set, ihr bekommt eure Leinwand, und dann müsst ihr schauen, wie ihr das alles zusammenbekommt. Was ich damit sagen will: Die gehen auf Risiko. Und genau diese Risikobereitschaft erlebe ich an anderen Stadttheatern selten. Da überwiegt am Ende doch oft die Sorge, dass die Kulturpolitik beleidigt sein könnte, dass die Finanzen nicht stimmen. Die Bedenkenträgerei ist größer als die Leidenschaft. Am Gorki werden Themen leidenschaftlich miteinander verhandelt, auch dort, wo man nicht miteinander d’accord ist.
In der Pandemie-Zeit haben wir an Tschewengur – Die Wanderung mit offenem Herzen gearbeitet, ich hatte das Bühnenbild bereits ohne Ensemble beleuchtet und mit Video eingerichtet, die Proben hätten losgehen sollen, aber die zweite Welle hat das unmöglich gemacht. Die Überlegung war: Was tun? Absagen, auf Eis legen? Wir haben stattdessen beschlossen, aus Tschewengur einen...