Zum Schluss, vorerst
von Ulrike Haß
Erschienen in: Kraftfeld Chor – Aischylos Sophokles Kleist Beckett Jelinek (01/2021)
Es ist ein Zufall, dass Die Perser des Aischylos, neben all seinen Stücken, die verloren sind, die älteste uns überlieferte Tragödie ist. Es ist jedoch kein Zufall, dass diese Tragödie mit einem Chor in der Orchestra einsetzt, dessen erste Verse eine unabgeschlossene Vergangenheitsform aufweisen. Es fehlt eine Flexion des schließenden und zuschreibenden Hilfsverbs ‚sein‘. In der Übertragung von Heiner Müller und Peter Witzmann lauten die beiden ersten Verse: „Das hier der Perser, gegangen / Nach Hellas, in das Land, wird genannt Treue“.
Am Ort der Orchestra vermag sich niemand zu schließen. Die unifizierende Maske des Individuums entfällt. Sie sitzt ohnehin nur lose auf. Die Gewalttätigkeiten einer phantasmatisch gehüteten Identität entgleiten. In einem Übergang des Innen ins Außen lösen sich die Stoffe, aus denen zum Beispiel Biografien gewebt werden. Die Namen gleiten bedeutungslos über Körper, die sich im Hin und Her ihres Tanzens verausgaben, die sich ihrem Getanzt-Werden hingeben auf Zeit, die hier, ganz kosmisch, nach den Sternen geht. Die unendliche Winzigkeit des sogenannten eigenen Lebens ist eine Erfahrung, die den einzelnen nicht zur Geringfügigkeit verdammt, sondern im Gegenteil: Sie bringt ein einzelnes Leben in seiner unaufhebbaren Singularität zum Vorschein. Sie bringt absolut singuläre Figuren wie den Prinzen hervor, der klarsieht,...