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Erschienen in: Letzter Vorhang (05/2017)
Das iPhone juckte im Handballen wie ein Mückenstich. Eine nunmehr unerträgliche Erwartung. Würde sie mir vor Beginn der Vorstellung endlich eine Nachricht senden? Laut Carmen Meissler blieb noch eine Viertelstunde. Nach drei Spielzeiten am Liebknecht wusste Candice natürlich, dass ich um diese Zeit noch erreichbar war. Dass ich sogar während der Aufführung erreichbar sein würde, wenn ich nicht gerade die Bühne fegte.
Da setzte sich tatsächlich das Xylophon in Gang. Es war eine andere, gleichwohl vertraute Stimme, die mich aus dem Handy ansprach.
„Häuptling?“, sagte die Stimme, und ungeduldig noch einmal: „Häuptling?“
Ich riss die Beine hoch, sodass der Papierstapel vor mir in sich zusammensank.
„Rette!“, flüsterte ich, und mit schuldbewusster Hast legte ich heiser nach: „Große Freude!“
„Kannst du mich hören, Häuptling?“
Eine Windböe verzerrte ihre Stimme. Offenbar war sie noch auf der Friedrichstraße. Ins Telefon raunend, stolperte ich über die Zeitschriften am Boden zum Fenster, weil die Verbindung hier oben unter dem Dach zuweilen miserabel war.
„Schön dass du dich meldest, Rette. Ich bin noch im Büro und geh erst später runter. Ein bisschen Alleinsein kann heute nicht schaden, weißt du …? Beret?“
Das iPhone zeigte maximalen Empfang an. Und die Uhrzeit. Mir entfuhr ein unfroher Lacher. Warum...