Mut als Kalkül
von Dirk Baecker
Erschienen in: Mut Palucca – Faszination und Verantwortung (11/2025)
Assoziationen: Tanz Gret Palucca
In der allgemeinen Systemtheorie spricht man von „Homöostase“, vom Gleichgewicht eines dynamischen Systems dank der Aufrechterhaltung innerer Zustände. Ein Organismus passt sich an äußere Umwelten an, indem er innere Umwelten, zum Beispiel die Temperatur oder den Blutkreislauf, stabil hält. Sigmund Freud sprach von „Reizabfuhr“. Der Körper inklusive seines Gehirns und des Bewusstseins dient der Verarbeitung von Reizen, indem er sie unschädlich macht. Das kann dadurch geschehen, dass sie aufgegriffen, umspielt und weiterentwickelt werden, oder auch dadurch, dass man sie ins Leere laufen lässt. Die jüngere Systemtheorie spricht sogar von einem „Homöochaos“, vom Gleichgewichtszustand eines dynamischen Systems dank innerer Unruhe. Der Körper, sein Gehirn und das Bewusstsein werden in einen Zustand der Erregung und Aufregung versetzt, der es ihnen erlaubt, mit dem schnellen Wechsel der Umwelt, mit Unklarheit und Herausforderung, mit Überraschung und Enttäuschung souverän und spielerisch, mal elegant, mal aggressiv fertig zu werden. Das leichte Chaos signalisiert dem Bewusstsein, dass es im Moment keine Chance hat, die Situation zu ordnen, sodass Körper und Gehirn, gut trainiert, das Ruder übernehmen.
Was hat das mit Mut zu tun? Mut ist Homöostase, Reizabfuhr und Homöochaos zweiter Ordnung. Man sucht das Ungleichgewicht, den Reiz und das Chaos, weil man sich darauf verlässt, dass einem...
















