Kolumne
Ein Jegleiches hat seine Zeit
Erschienen in: Theater der Zeit: Haus Rotes Wunder – Die neue Potsdamer Intendantin Bettina Jahnke (11/2018)
Assoziationen: Debatte
„Ein jegliches hat seine Zeit“, sagte der Prediger Salomo. Das ist schon lange her. Die Zeit der Menschenart ist jetzt auch schon bald abgelaufen, sagt Kassandra. Das ist noch frisch. Aber wie immer schon hören ihr nur andere Kassandren zu. Vielleicht sollten wir uns trotzdem Zeit lassen. Aber haben wir überhaupt noch Zeit zum Zeitlassen?
Seit Beginn des Maschinenzeitalters hat die abendländische Kultur Zeit immer beschleunigt. Zu dieser Kultur gehören Religion, Kalkül, Krieg, Hollywood, Gartenpflege, Champions League, Christmas, Oktoberfest, Fernsehen, Festgeldkonto, Formel 1 … alles, was mit Ablenkung – Unterhaltung also und Ordnung – zu tun hat und einen allgemeinen Sinn des Lebens verspricht. Den gibt es aber nicht.
Drum muss das Tempo hoch sein, dass die wenigsten mitkommen, aber so viele wie möglich mitgerissen werden. Dann hat Kultur funktioniert. Erregung und Zerstreuung münden in Zufriedenheit. Das fühlt sich sinnvoll an. Wenn dieses Triumvirat geistiger Selbstaufgabe unablässig angekurbelt und von Zeit nicht begrenzt wird, gerät es vielen zum Sinn des Lebens. Das zahlt sich aus für wenige. Die fördern dafür Kultur, um bei möglichst vielen diesen gemeinsamen Lebenssinn zu wecken, damit die nicht ihre Konkurrenten werden, sondern um die besten der unteren Plätze rangeln. Dafür spielen sie auch Demokratie, weil...