Rainer Nägeles „Der andere Schauplatz“ ist, so heißt es im Klappentext, ein Versuch, die Welt „etwas näher an das heranzurücken“, was sich in dem Quadranten verdichtet, den die Eckpunkte Georg Büchner, Bertolt Brecht, Antonin Artaud und Heiner Müller markieren. Mit Nägele betreten wir einen Resonanzraum schmerzhafter Wahrheiten. Ein Extrem oder poetisches Kristallisationsgitter, das den anderen Schauplatz, so ein Topos Walter Benjamins, erfahren lässt. Dieser Schauplatz des Anderen ist Lichtjahre entfernt von unserer aktuellen Konsensepoche, die vom Pathos einer leeren „Ehrlichkeitsrhetorik“ in die Knie gezwungen wird. Der Riss, der durch die Moderne ins Heute läuft, zeigt uns einerseits ein enorm angespanntes Bewusstsein und andererseits zugleich die Herrschaft eines selbstzufriedenen Juste Milieu. Auf der einen Seite steht der uneingeholte Versuch im Theater, mit Form und Sprache über das Bestehende hinauszugelangen, auf der anderen das unentwegte Feiern eines technisch aufgerüsteten neuen Naturalismus, mit einer gegen das Mimetische und Fiktive gerichteten Authentizität im Zentrum. Der Autor bekennt kurz und knapp, für welche Partei sein Herz schlägt: „Die Aufrichtigkeitskultur ist das Theater der objektiven Verlogenheit.“
Allerdings siedelt Nägele dieses Verhältnis nicht dialektisch an. Er hat alle Hände voll zu tun, so unterschiedliche Konzeptoren wie Brecht und Artaud zusammenzuspannen. Es gelingt ihm, die Affinität des widerspenstigen...