Goethes „Faust“: vom Bildungsbürgertum lange schon als Klassiker geadelt, damit seines irritierenden Potenzials nicht selten beraubt. Wenn Elisabeth Vogetseder die holzgetäfelten Wände des Konstanzer Zuschauerraumes in ihrem Bühnenbild zitiert, dann hat das durchaus programmatischen Charakter: Es lässt sich lesen als radikale Variation des Vertrauten. Die Holzwände der Bürgerstube taugen auf der Bühne zur schiefen Ebene, nicht mehr zur tragenden Seitenwand bürgerlicher Selbstbespiegelung.
Johanna Wehner komponiert ihre Inszenierungen gerne über die Textfassung. Direkt ist ihr „Faust“, mit klarem Schwerpunkt auf der Gretchentragödie, temporeich zu Beginn. Und durchweg beiläufig im Ton, alltäglich trotz beibehaltener Verssprache. Ein Text, der mehr als bekannt ist und den die Figuren im Stile der Selbstvergewisserung häufig wiederholen, prüfen, befragen. Regie wie Schauspieler nutzen die Freiheit des Wie, auch des Wer. „Prolog im Himmel“? In der Moderne nicht gebraucht. Mephisto als „Teufel“, mit Hinkefuß und Hundeschweif? Ein Märchen, an das wir nicht mehr glauben. Konsequent löst Wehner Mephisto auf, pluralisiert ihn über dreifache Besetzung und gibt ihn als innere Stimmen der Faustfigur zu erkennen. Optisch variantenreich gelöst über die spielerischen, aufeinander verweisenden Kostüme von Miriam Draxl. Individuelle Nuancen innerhalb konformer Schnittmengen sorgen für Witz, wie überhaupt das Spielprinzip durchgängiger Bezogenheit etwas Leichtes, Abwechslungsreiches mit sich bringt. Die Attraktivität...