Die Sorge um das Offene: Vorüberlegungen zur Ästhetik der Entähnlichung
von Julius Heinicke
Erschienen in: Recherchen 148: Sorge um das Offene – Verhandlungen von Vielfalt im und mit Theater (05/2019)
Im Verlauf dieser Arbeit wird eine Definition von Ästhetik vorgestellt und diskutiert, welche diese Formen kultureller Verhandlungen der Vielfalt möglicherweise beschreiben kann. Mbembe fordert in seinem schon mehrfach zitierten Buch die internationale Politik und Gesellschaft auf, „Sorge um das Offene“72 zu tragen. Um es an dieser Stelle einleitend vorwegzunehmen: In gewisser Weise den Zielen des Magnet Theatre und andcompany&Co. ähnlich, propagiert er ein Verständnis von Diversität, welches dem dichotomen Kategorisierungswahn des westlichen Denksystems überwunden hat. Differenzen sind nach dieser Auffassung für eine globale Gesellschaft notwendig und sollten verhandelt und ausgehandelt werden, jedoch ohne die Einverleibung und Aufhebung im Hegel’schen Sinne in ein koloniales Denksystem, das die dichotome Differenz zum Anderen für die Konstitution des Eigenen benötigt. Um diesem Mechanismus zu entgehen, bringt Mbembe das Prinzip der „Entähnlichung“ (désapparentement) ins Spiel, welches besagt, dass Differenzen nicht einander ähnlich gemacht werden, wie es beispielsweise die Phänomenologie des Geistes betreibt, nämlich die Differenz zum Anderen als Teil des Eigenen „aufzuheben“: Das „Andere“ wird so dem „Eigenen“ ähnlich gemacht, da es als direkte Opposition gesetzt und somit vereinfacht und in westliche Kategorien gedrängt wird. Die „Sorge um das Offene“ tritt einer Kategorisierung und Aufhebung anderer Traditionen und Denkweisen nach binären Mustern des Abendlandes...