Die Schlacht in Torgelow 1982
von Durs Grünbein
Erschienen in: Arbeitsbuch 2016: Castorf (07/2016)
Ein NVA-Regimentskulturhaus dicht an der Grenze zu Polen, wo wenige Monate zuvor, am 13. Dezember 1981, das Kriegsrecht verhängt worden war. Das Gastspiel des Theaters Anklam mit Heiner Müllers „Die Schlacht“ in der Regie von Frank Castorf war in dem riesigen Saal von gerade mal fünf Zuschauern besucht – unter ihnen Durs Grünbein, Thomas Irmer und ein Soldat, der hinterher das Gebäude wieder abschließen musste.
Es war ein seltsamer Zufall: „Die Schlacht“ hatte ich im Jahr meiner Einberufung zum Armeedienst 1981 zum ersten Mal gesehen, am Staatsschauspiel Dresden in der Regie von Wolfgang Engel. Der Text hatte sich mir regelrecht eingehämmert in seiner Brutalität. Und noch eine Koinzidenz: Einmal bekam ich zwei Tage Ausgangsurlaub, um nach Berlin zu fahren zu einem Bewerbungsgespräch an der Humboldt-Universität, für das Fach Theaterwissenschaft. Da sah ich an dem einzigen freien Abend an der Volksbühne „Der Auftrag“ in Heiner Müllers eigener Regie, auf dieser Studiobühne im 3. Stock – ein ungeheuer intensives Erlebnis. Ich war der einzige Zuschauer in NVA-Uniform, da passten nur vierzig Leute hinein. Ich war also schon richtig aufgeladen mit Müller-Theater, als dieses merkwürdige Gastspiel im Regimentskulturhaus stattfand.
Jetzt müsste man natürlich diesen Tag genau rekonstruieren können, sich in Hypnose versetzen, um...