Theater der Zeit

Mehr als ein Leben

Die Schriftstellerin Anja Lundholm und die Geschichte einer Familie in Deutschland

von Raimund Hoghe

Erschienen in: Recherchen 150: Wenn keiner singt, ist es still – Porträts, Rezensionen und andere Texte (1979 - 2019) (09/2019)

Assoziationen: Akteure

Wenn man ein Thema auch nur antippe, dann erzähle sie, sagt Anja Lundholm gleich nach der Begrüßung. „Ich bin voller Geschichten.“ Dass manches in ihrer Lebensgeschichte nach Kolportage klingt, weiß sie. „Das klingt ja wirklich wie eine Räuberpistole“, stellt sie einmal fest. Ein andermal scheint ihr ihr Leben „fast schon ein Hintertreppenroman. Aber das ist nun einmal mein Leben gewesen. Ich kann’s nicht ändern.“

Anja Lundholm hat mehr als ein Dutzend Bücher geschrieben, in denen sie Spuren ihres Lebens und deutscher Geschichte nachgegangen ist. Das wohl wichtigste erschien 1988: Das Höllentor, Anja Lundholms Bericht über das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, das sie als eine von wenigen überlebte. Bei der Auflösung des Lagers im April 1945, bereits auf dem Weg zu ihrer Hinrichtung, hatte sie bei einem Bombenangriff fliehen und sich auf einer Landstraße in den Strom anderer Flüchtlinge einreihen können. Der Weg zurück ins Leben sei lang gewesen. „Ich konnte mich nicht hineinleben in die hiesige Welt. Ich war immer noch Häftling – und bin auch heute noch nicht heraus.“

Sie wolle verstehen, sagt Anja Lundholm, verstehen, was Menschen bewege. „Ich war immer wahnsinnig interessiert an Psychologie. Mit neun wollte ich Psychiaterin werden. Ich hatte immer einen ungeheuren Drang, Menschen zu...

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