Beim Einlass werden Ohrstöpsel gereicht – es sei mit „lauten Geräuschen“ zu rechnen. Tatsächlich, gegen Ende des Abends prasseln plötzlich Hunderte Plastikflaschen vom Schnürboden auf die Bühne. Ja, auch Theater kann auf spektakulär machen. Zum Saisonstart in Stuttgart ging es nämlich darum, Andres Veiels im November 2020 zur ARD-Prime-Time gesendeten TV-Streifen „Ökozid“, der die deutsche Klimapolitik im Jahr 2034 vor dem Internationalen Gerichtshof anklagen lässt, aufs Theater zu übertragen. Und zwar so, dass nicht nur ein braver Abklatsch herauskommt. Denn der Film, in dem Angela Merkel vor einer Art Jüngstem Gericht steht, hatte als Mix aus Doku und Sci-Fi schwer Aufsehen erregt, erinnerte an die monströsen TV-Schauprozesse aus der Schirach-Werkstatt, bot zudem Top-Mimen wie Ulrich Tukur und Medien-Prominenz wie Ingo Zamperoni auf.
„Ökozid“ auf dem Theater – funktioniert das? Die Bühnenfassung von Andres Veiel und Jutta Doberstein wirkt jedenfalls weniger aufgedonnert, verzichtet auf den Katastrophismus des Films. Von Sturmfluten, in deren Folge das Den Haager Gericht evakuiert werden musste, ist nun nicht mehr die Rede. In Stuttgart eröffnet eine Gastrednerin aus dem westafrikanischen Sierra Leone den Abend: Yvonne Aki-Sawyerr, Bürgermeisterin von Freetown, einer Millionenstadt, in der erst 2017 Überflutungen und Erdrutsche Hunderte Todesopfer forderten. „The climate change is real“, sagt...