2.2. Das visuelle Dreieck, oder: Der Barock existiert nicht
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)
Welche Vorgänge fasst Lacan nun in diesem zweiten Dreieck zusammen? Zunächst einmal geht es jetzt nicht mehr um die geometrale Auszeichnung eines Raumes, sondern im Gegenteil um seine maßstabslose Erfassung im Licht.
Es handet sich also nicht mehr um eine Messapparatur, die die fixierten Dinge Punkt für Punkt in ein image transferiert, sondern um einen zunächst nur schwer greifbaren »Leuchtraum« (Buci-Glucksmann),38 der gerade nicht mit Zahlen und Maßen operiert und weder Distanzen noch Abstände kennt. Insofern stellt er aber keinen Raum im alltäglich geläufigen Sinn dar, sondern eine topologische Größe. Sehr deutlich entspricht er aber auch der Gedankenfigur eines »Hauses ohne Außen«, als das die in die Immanenz gestürzte Welt in Benjamins Barockbuch erscheint. Denn auch der Leuchtraum kennt kein definierendes Außen mehr, von dem her sich (s)eine Position bestimmen ließe. Zudem erinnert er bereits an Leibniz’ Monade, die als reines Innen zwar dunkel und fensterlos ist, in ihrem Innenraum aber zugleich ein Licht einkapselt bzw. als »Urmonade« Gott völlig erhellt ist. Vor allem aber lässt sich die Maßstabslosigkeit des Leuchtraums in den Wunderkammern Tassos und des Prinzen von Pallagonia wiederentdecken, in denen ja gerade Distanzen und Abstände einstürzen, die Mathematik resigniert, und, um Goethes Formulierung noch einmal aufzugreifen, »das...