Magazin
Linzers Eck: DDR-Dramatik im Gartenhäuschen
Ein Nachwort zur letzten Spielzeit
von Martin Linzer
Erschienen in: Theater der Zeit: Romeo Castellucci: Zurück in die Zukunft – Über die Vermessung der Welt von morgen (09/2013)
Als im Mai in Berlin das Theatertreffen tobte, fand sich mein geschätzter Kollege Dirk P. zu der Feststellung ermutigt: „Wie viel wichtigtuerischen Wind die eingeladenen Inszenierungen machen! Und wie wenig sie zu sagen haben!“ Was er nicht sagte: dass dies auch das Resümee der ganzen letzten Berliner Spielzeit gewesen sein könnte. Viel wichtigtuerischer Wind, aber wenig wirkliche Glücksmomente (Antú Romero Nunes’ „Räuber“ im Maxim Gorki Theater etwa oder Stephan Thiels „X-Freunde“ im Theater unterm Dach), aber was blieb noch im Gedächtnis? Keiner kann mehr Shakespeare, Ibsen, na ja … Horváth kann nur noch Marthaler. An fünf Tagen im Juni haben wir begriffen, wen wir im Kastanienwäldchen verloren haben, dafür ist das Spaßtheater auf dem Vormarsch, und im Prater hat ein cleveres Gaunerpärchen des Kaisers neue Kleider neu entdeckt.
Trotzdem sollten wir nicht übersehen, was sich am Schiffbauerdamm für eine interessante Nische aufgetan hat. Mit der Lesereihe „DDR-Dramatik“ will das Berliner Ensemble an „vergessene und verbotene Dramen aus der DDR-Zeit“ erinnern. Der Auftakt war Programm: Heinar Kipphardts „Shakespeare dringend gesucht“ von 1953 führt einen leidenschaftlichen, in seiner Kompromisslosigkeit auch leicht komischen Dramaturgen vor, der in einem Wust von Talentlosigkeit den Shakespeare der Gegenwart findet, verliert und zurückgewinnt, der ein Arbeiter ist,...