Protagonisten
Zirkus der Albträume
Der Schauspieler Jürgen Holtz
von Gunnar Decker
Erschienen in: Theater der Zeit: Jürgen Holtz – Schauspieler und Scharfdenker (04/2015)
Assoziationen: Akteure Berliner Ensemble
Das Erste, was ich von Jürgen Holtz im Dunkeln höre, ist ein Husten hinter dem Vorhang. Kein Hüsteln, sondern ein kräftiges, entschlossenes Husten. Noch ein letztes Mal der Kampf mit den Bronchien, aber dann mit viel Luft in den Lungen an die Arbeit!
Erste öffentliche Probe von Thomas Bernhards „Die Macht der Gewohnheit“, Regie Claus Peymann. Jürgen Holtz ist krank gewesen, aber nun ist er wieder dabei. Nur noch sechs Tage bis zur Premiere. Holtz spielt die Hauptrolle, den Zirkusdirektor Caribaldi, auf den jedoch die organisatorische Leitung seines Unternehmens wirkt, als müsste er ständig Essig trinken. So sagt sein Gesicht, oval und gefährlich lächelnd. In diesem Clown sitzt ein Diktator, der über Leichen geht, auf dem Sprung. Das Husten dauert an. Peymann in der ersten Reihe als eine Art regieführender Entertainer, der gleichzeitig das Publikum unterhält und sich über die Fortschritte der Inszenierung auf der Bühne gelegentlich erkundigt, fragt besorgt: „Alles in Ordnung, Jürgen?“ – „Ne!!!“, tönt die Stimme hinter dem Vorhang. – Peymann schweigt ratlos, ruft dann: „Licht!“ und „Vorhang!“, und nun sehen wir Jürgen Holtz (82 Jahre alt) auf dem Boden liegen, nein, kriechen.
Es staubt. Stößt er irgendwo an, steigen lauter weiße Wolken auf. Ein Regieeinfall, über...