Joachim Fiebach. Eine Erinnerung für die Zukunft
von Stephan Suschke
Erschienen in: Recherchen 114: Fiebach – Theater. Wissen. Machen. (06/2014)
1982, Universitätsstraße 3b. Man betritt das Treppenhaus, stößt auf einen gusseisernen Fahrstuhl, um den sich die Treppen nach oben winden, dunkelbraunes, vielleicht dunkelgrünes Linoleum. Hinauf bis in den letzten Stock, einen kleinen winkligen Gang entlang, am Sekretariat vorbei, hinein in einen großen, durch Regale geteilten Raum. Im Sommer Sonnenstrahlen, die auf altes Mobiliar scheinen: ein riesiger viereckiger Tisch – der Seminarraum. An dem Tisch zehn, zwölf, manchmal fünfzehn Studenten. An einer der Tischseiten Joachim Fiebach.
Der Gegenstand seiner Lehrveranstaltung: Theater im 20. Jahrhundert – von den italienischen Futuristen über Antonin Artaud bis zu Robert Wilson. Die gesamte Moderne, die vor allem die westliche Moderne war und bis zum westdeutschen Gegenwartstheater um Peter Stein, Klaus Michael Grüber, Peter Zadek führte. Wir wussten schon im ersten Studienjahr von Grübers Bakchen-, Zadeks Othello- und Steins Mutter-Aufführung, kannten wesentliche Texte von Artaud, Peter Brook, natürlich Bertolt Brecht, aber auch von Filippo Tommaso Marinetti und Sergei Tretjakow. Abseits der DDR-Normalität, die von Zensur geprägt war, konnte man die meisten Bücher in der sagenumwobenen Möwe-Bibliothek in der Luisenstraße ausleihen. Es war eine sportliche Übung, die Texte zu bekommen, aber sie übte. Wenn man sich interessierte, konnte man in der DDR alle Bücher lesen,...