Die öffentliche Meinung
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Das Gespenst des Populismus – Ein Essay zur politischen Dramaturgie (01/2017)
Die öffentliche Meinung ist, so kann man mit Niklas Luhmann sagen, „der Heilige Geist des Systems“.1 Die öffentliche Meinung wird durch das öffentliche Sprechen hergestellt und sie ist zugleich dasjenige, das bei all diesen kommunikativen Handlungen sowohl der Adressat ist wie auch die Instanz, die es hervorzubringen und zu beeinflussen gilt. Öffentliches Sprechen findet im Medium der öffentlichen Meinung statt und formt hierin bestimmte Aussagen zu Meinungen, die dann Zustimmung oder Ablehnung erfahren. Die Bildung von erkennbaren Formen im Medium der öffentlichen Meinung führt dann zur Kritik genau solcher Formbildungen als Manipulation, und zugleich stellt das Medium wiederum die Möglichkeit zur Verfügung, auch eine solche Kritik wiederum als Manipulation kritisieren zu können.
Um diese Funktion als ein Medium für die politische Kommunikation zu erfüllen, verfügt die öffentliche Meinung über eine anspruchsvolle Technik. Mit ihr wird die besondere Form einer Beobachtung zweiter Ordnung von politischem Handeln organisiert. Mit der Beobachtung zweiter Ordnung ist eine Beobachtung gemeint, die nicht nur die Tatsachen wahrnimmt, sondern ebenso die kommunikativen Akte beobachtet, die solche Tatsachen in Form von Meinungen und Behauptungen hervorbringen. Bei einer solchen Beobachtung werden also immer zwei Ebenen von Realität zugleich wahrgenommen: Es gilt zu verstehen, was gesagt wird, und es...