Zur Eröffnung
von Andreas Homoki
Erschienen in: Recherchen 51: Realistisches Musiktheater – Walter Felsenstein: Geschichte, Erben, Gegenpositionen (06/2008)
Der Begriff „Realistisches Musiktheater“ ist eigentlich eine Contradictio in adiecto. So etwas gibt es ja nicht, denn Musiktheater ist seinem Wesen nach nicht realistisch. Schon die Tatsache, dass Menschen auf die Bühne kommen und ihre Angelegenheiten singend verhandeln, spricht jedem Realismus Hohn. Durch diesen Widerspruch ist der Begriff grundsätzlich provokant. Denn er benennt ein Grundproblem der Gattung Oper und packt gleichzeitig den Stier bei den Hörnern. Die Erfindung der Oper ging von dem Wunsch aus, Theater mithilfe von Musik zu überhöhen, wobei in der Renaissance die Vorstellung maßgebend war, dass auf diese Weise eine Theaterform der Antike wiederbelebt würde. Die Idee war also zunächst, die Inhalte des theatralen Geschehens noch wirkungsvoller an den Zuschauer zu bringen, also ein tieferes Verständnis des Gezeigten und Gedachten beim Zuschauer zu erzeugen, als es ohne die Zuhilfenahme der Musik möglich wäre. Gleichzeitig wohnt aber der Oper eine Tendenz zum gedankenlos Repräsentativen inne. Das hängt sicherlich mit dem enormen – vor allem finanziellen – Aufwand zusammen, der getrieben werden muss, damit eine Oper überhaupt zustande kommt. Damit kann sich ein reicher Mann gut schmücken, auch wenn er von der Sache selbst vielleicht nicht mehr versteht als der Hausherr in Richard Strauss’ Ariadne auf Naxos. An...