Theater der Zeit

Kritik an Rudolf Bahro

(Februar 1976)

von Adolf Dresen

Erschienen in: Recherchen 93: Der Einzelne und das Ganze – Zur Kritik der Marxschen Ökonomie (05/2012)

166

Februar 1976

1. Rudolf Bahros Kritik am „real existierenden Sozialismus“ ist implizit eine Marxismuskritik, doch erklärtermaßen vom Marxismus selbst, von dessen Grundintention und Methode aus, seine Kritik am „real existierenden Sozialismus“ hat entsprechend und erklärtermaßen reformatorischen Charakter. Der Marxismus ist, zu Recht oder Unrecht, Staatsdoktrin, und er ist, zu Recht oder Unrecht, öffentlich weithin diskreditiert. Eine Opposition, die marxistisch sein will, muß daher präzis erklären, was sie damit meint, sonst passiert ihr, was RB an Lenin entdeckt, daß sie auf dem Boden steht, den sie aus den Angeln heben will. Der Marxismus differiert inzwischen nicht nur von der Praxis, sondern auch von sich selbst, in den sowjetischen und chinesischen Raketen steht er sich sozusagen bewußtlos selbst gegenüber. Die vielen Marxismen deuten auf einen inneren Widerspruch der Theorie, der unaufgeklärt ist. Eine Theorie aber muß vor allem scharf sein. Widerspricht der Stalinismus dem Marxismus oder entspricht er ihm, ist er heimlich in ihm enthalten? Ist er seine Deformation (wie Trotzki und Chruschtschow meinen) oder seine Konsequenz (wie Bakunin schon zu Marx’ Lebzeiten fand)? Jede Ungenauigkeit der Prämissen erweist das Resultat. Äußerer Widerspruch der Praxis muß sich als innerer der Theorie selbst auffinden lassen, dann läuft ihre Unschärfe, ihr Jein-Charakter auf...

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