Man kann darüber streiten, ob die soziale Marktwirtschaft in siebzig Jahren, unter abwechselnden Regentschaften von Christ- und Sozialdemokraten, an sozialen Errungenschaften gewonnen hat. Offensichtlich klafft die Schere zwischen Arm und Reich weiter denn je; in der Stadt Essen bildet sich die Situation geradezu sprichwörtlich topografisch ab. Im Süden, also in Werden und am Baldeneysee, residieren die Millionäre, im Norden hausen die Hartz-IV-Empfänger, beide Milieus trennt die Ruhrpottautobahn A 40. Das ist etwas zugespitzt gesagt, aber es bedarf solcher Vereinfachungen, um Methodik und Zielsetzung des Theatermachers Volker Lösch zu verstehen. Lösch geht seine Themen frontal an, er recherchiert, bündelt, und am Schluss des Abends stehen einige handfeste Thesen, mal im Chor vorgetragen, mal von Einzelnen. In diesem Fall werden die Zuschauer zur Schlussapotheose sogar auf den roten Teppich der Bühne im Grillo-Theater gebeten und sozusagen in Geiselhaft genommen: Wehe, man klatscht nicht!
Durch das schmucke Theater zieht sich längs eine hohe Wand. Sie symbolisiert die A 40, von der es heißt, sie würde nur selten überquert; am ehesten von Putzfrauen – „oder Haushaltshilfen, wie es politisch korrekt heißt“ –, die aus dem Norden kommen und im Süden die Betten aufschütteln. Hat man als Zuschauer das Pech, auf die rechte Seite des...