Eine Träumerei vom Chaos – das Theater von Fadhel Jaïbi
von Mohamed Moumen
Erschienen in: Recherchen 104: Theater im arabischen Sprachraum – Theatre in the Arab World (12/2013)
Fadhel Jaïbi ist einer der unbestrittenen Pioniere des modernen Theaters in Tunesien und in der arabischen Welt überhaupt. Mit dieser Galionsfigur hat das Theater die traditionellen Wege verlassen, um sich auf die Suche nach neuen Formen und neuen Inhalten zu begeben.
Die Hochzeit, ein Stück, dessen Texte allesamt auf Improvisation basieren, war 1976 die erste Produktion seines Nouveau Théâtre und das erste bedeutende Werk dieses Regisseurs. Jaïbi war damals Anhänger eines kollektiven und offenen Kunstschaffens. Immer wieder befragte er die Mythen des Alltags, die die tunesische Gesellschaft beleben und bewegen. Von Anfang an schien es, als wolle sein Theater endgültig alle Alibis und alle Utopien (oder sogar Atopien) von sich schieben, um sich auf die Realität in ihrer aktuellen und gegenwärtigen Dynamik zu konzentrieren und diese zu erforschen. In seinem Theaterschaffen macht Jaïbi mit der Heraufbeschwörung der Vergangenheit (die als Vorwand diente, um das kulturelle Erbe zu revidieren, zu kontrollieren oder umzuschreiben) Schluss, um sich ganz der Gegenwart zuzuwenden, die für ihn zum einzigen Feld der Befragung und der Forschung wird.
Das Theater von Jaïbi macht der Gesellschaftsordnung in ihrer aktuellen und unleugbar zeitgenössischen Realität den Prozess – es bringt sie auf die Bühne und es klagt sie an....