Monte Rosa
von Teresa Dopler
Erschienen in: Recherchen 167: Dramatisch lesen – Wie über neue Dramatik sprechen? (05/2023)
Dichte Dunstwolken liegen in den Tälern, die Gletscher sind abgeschmolzen, und nur hoch oben in den Alpenmassiven sind noch Bergsteiger unterwegs. Gut trainiert und bestens ausgerüstet sind sie immer auf dem Weg zum nächsten Gipfel, dorthin, wo die Luft am saubersten ist. Drei von ihnen begegnen sich unterwegs, man scannt freimütig Gesundheit, Alter und Fitness, um den Wert des Gegenübers zu ermessen und eventuell eine vorübergehende Partnerschaft auszuhandeln. Schnell wird klar, dass hier fragwürdige Werte und eigenartige Umgangsformen gelten. Die Vergangenheit und alles abseits der Berge scheint vergessen, auch Gesichter merkt sich hier niemand mehr, und über den Tod des eigenen Partners im Steinschlag kommt man schnell hinweg.
B bist du immer alleine unterwegs
A nein, für gewöhnlich nicht
B es ist ungewöhnlich, dass ein Bergsteiger alleine unterwegs ist
A das stimmt, vor einiger Zeit habe ich jemanden getroffen, am Anfang dachte ich, das könnte ein Partner für mich sein
B wo habt ihr euch getroffen
A in den Dolomiten
B die bleichen Berge, herrlich
A kennst du die Dolomiten gut
B ja, dort bin ich immer wieder mal unterwegs
A wir haben uns auf der Punta Penia getroffen und sind dann noch gemeinsam über den Westgrat-Klettersteig abgestiegen
B warum...