Die Öffentlichkeit sei eine unangenehme Zeitgenossin geworden, stellt Bernd Stegemann gleich auf den ersten Seiten seiner neuesten Abhandlung „Die Öffentlichkeit und ihre Feinde“ fest. „Würde man sie als eine Person beschreiben, wäre man ungern in ihrer Nähe. Sie ist reizbar, versteht alles falsch, reagiert auf die leisesten Töne mit aggressiver Zurechtweisung und stellt sich taub, wenn sie kritisiert werden soll.“ Inszeniert Stegemann sich hier als Kritiker linker Identitätspolitik, erweist sich auch Wolfgang Engler in seinem Werk „Die offene Gesellschaft und ihre Grenzen“ nicht unbedingt als deren Freund: Sie betone oft das Trennende, Singuläre und beziehe sich dabei auf außerökonomische Kriterien wie Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Orientierung, religiöse Praktiken. Und was die berüchtigte „Cancel Culture“ betrifft, konstatiert Engler lapidar: „Eins von beiden, bitte sehr: Canceln oder Culture.“
Beide Buchtitel, Englers ebenso wie Stegemanns, variieren einen Klassiker des Soziologen Karl Popper von 1945: „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“. Was der Positivist Popper damit meinte, ist ungefähr das, was wir heute (vermeintlich) haben: freie Marktwirtschaft, Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit, kurz, eine gemäßigt demokratische bürgerliche Gesellschaft. „Positivismus“ bedeutet, die Dinge gelten zu lassen, ohne sie zu bewerten; deshalb war Popper bei den 68ern exemplarisch verhasst. Was nach ’68 und nach dem Ende der „glorreichen dreißig (Nachkriegs-)Jahre“...