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Literatur: Wo Wir war, soll wieder Ich werden
von Katrin Schuster
Erschienen in: Theater der Zeit: Jürgen Holtz – Schauspieler und Scharfdenker (04/2015)
Es braucht fast zwei Seiten, bis der Erzähler in Leif Randts neuem Roman Planet Magnon vom Wir zum Ich findet. Statt weiterhin aus der Perspektive des Kollektivs zu sprechen, sagt er endlich „ich“. „Draußen war es viel windiger, als ich im Bus angenommen hatte“, lautet der Satz, mit dem Randt den Wechsel vom Plural zum Singular inszeniert, und tatsächlich verdichtet sich darin das Thema seiner interstellaren Dystopie. Wir befinden uns im Jahr 48 n.AS. Die neue Zeitrechnung ist einer neuen Erlöserfigur geschuldet, einer „Actual-Sanity“ genannten künstlichen Intelligenz, die nichts anderes als die totale Marktforschung betreibt. Jedes Gesetz entspricht durchweg dem Willen der Bevölkerung, und das Bewusstsein darüber sorgt dafür, dass die auf mehrere Planeten verteilte Menschheit (die diesen Namen im Grunde nicht mehr verdient) weitestgehend friedlich und positiv gestimmt vor sich hin lebt, unterstützt von diversen Drogen, deren Erforschung ja von allen gewollt wird und also sinnvoll ist.
Wenn da nur diese Subjekte nicht wären, die sich gegen die Ideologie des Kollektivs zu wehren beginnen: Wo Wir war, soll wieder Ich werden, und zwar im Dienste der guten alten bürgerlichen Glaubenssätze. Die Rebellen, man nennt sie „Hanks“, wollen das Individuum und dessen Liebesfähigkeit zurück; auch vor Anschlägen schrecken sie nicht...