Postparadoxer Realismus
von Heinz Bude
Erschienen in: Lob des Realismus – Die Debatte (09/2017)
Es ist nicht einfach zu sagen, wann es dem Realismus an den Kragen ging. Jedenfalls nicht mit dem Erscheinen der Bücher, die es der Generation „nach der Revolte“, wie Reinhard Mohr 1992 die Mitte der fünfziger Jahre geborenen „Zaungäste“ der Geschichte bezeichnet hat, ermöglichten, sich von den Depressionen der siebziger Jahre zu befreien. Bücher wie Paul Feyerabends „Wider den Methodenzwang“ (deutsch 1976), Michel Foucaults „Mikrophysik der Macht“ (1977 als bahnbrechender Merve-Band) oder Richard Rortys „Spiegel der Natur“ (deutsch 1981) zeigten, was „Erkenntnis für freie Menschen“ bedeuten, wie eine „fröhliche Wissenschaft“ operieren und wie man trotz Ironie solidarisch sein konnte. Das war der endgültige Bruch mit dem monströsen Denken der Generation zuvor, die sich mehrheitlich mit „1968“ identifizierte und im Zeichen von „Ableitungsmarxismus“, „Freudomarxismus“ und „Widerspiegelungstheorien“ stand. Wer zu dieser Zeit als Mittdreißiger einigermaßen bei Verstand war, fand bei der Kontroverse zwischen Jürgen Habermas und Niklas Luhmann, die 1971 unter dem etwas tendenziösen Titel „Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie“ erschien, den neuen Ton von Luhmann aufregender als den alten von Habermas. Das Beharren auf konstitutiven Rechtfertigungszwängen versprühte gegen die Eleganz des Vorführens von „funktionalen Äquivalenten“ den abgestandenen Charme von Oberstufenreformen und den Hessischen Rahmenrichtlinien.
Doch gegen Realisten hatte man nichts, solange...