Magazin
Der Hunger nach Wahrheit
Bulgariens Gesellschaft rebelliert – auf der Straße und im Theater. Nun trat die Regierung endlich zurück
Erschienen in: Theater der Zeit: Blackfacing (10/2014)
Stark und denkwürdig war die 22. Ausgabe des Internationalen Theaterfestivals Varna Summer, des größten Theatertreffens in Bulgarien, das im Juni in der Stadt am Schwarzen Meer veranstaltet wurde. Denkwürdig auch deshalb, weil es in einer stürmischen Zeit bürgerlicher Unzufriedenheit stattfand. Eine Unzufriedenheit, die die fehlende Moral der politischen Klasse im Land anprangerte, die Korruption und den Niedergang der Wirtschaft, das ständige Postengeschachere der Politiker und die Manipulationen durch die Medien. Die täglichen Proteste vieler Tausend Menschen in Sofia und den großen Städten gegen die Regierung der sozialistischen Partei wurden durch die ersten Postenbesetzungen der neuen Regierung im Sommer 2013 ausgelöst und hielten über Monate an (siehe TdZ 10/2013). Zu den zentralen Teilnehmern gehörten junge Leute und Studenten sowie Universitätslehrer, Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler. Ende Juli dieses Jahres trat das Kabinett schließlich zurück.
Diese Proteste haben nachdrücklich gezeigt, dass sich in Bulgarien eine Zivilgesellschaft herausgebildet hat, die klar ihre Wahl für einen demokratischen und europäischen Weg getroffen hat. Zu einem wichtigen Teil der tiefgreifenden sozialen Mobilisierung wurde die intensive öffentliche Debatte über die unmittelbaren politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Probleme, über das schwere Erbe der Vergangenheit und die Fehler des Übergangs wie auch über die notwendigen Strategien, um sie zu überwinden. Diese...
