Vom DDR-Bürger zum Bundesbürger
von Bruno Flierl
Erschienen in: Selbstbehauptung – Leben in drei Gesellschaften (05/2015)
Am 3. Oktober 1990 wurde ich nun also staatsrechtlich vom DDR-Bürger zum Bundesbürger, lebte im „Westen“, wohin ich nie gewollt hatte – bei allen Schwierigkeiten, die ich im Osten hatte. Die Gesellschaft, der ich 1950 entflohen war, hatte mich zurückgeholt. Damit musste ich fertigwerden. Und ich wurde damit fertig. Ich schaute nicht nostalgisch, ostalgisch, wie es seit dem Ende der DDR ironisch hieß, zurück, ich schaute nach vorn. „Vorwärts und nicht vergessen!“ Ich schaute in die Zukunft des nun wieder ganzen Deutschlands, in dem ich nicht als Westdeutscher leben wollte, sondern als Ostdeutscher, der seine Vergangenheit – und also seine Erfahrungen, Kenntnisse und Ansprüche – mitbrachte und willens war, sie nicht preiszugeben, sehr wohl aber einzubringen in das ganze Deutschland und dadurch auch zu entwickeln – selber auf dem Weg zu einem Gesamtdeutschen wie auch zu einem Gesamtberliner. Das würde nicht einfach werden, ahnte ich, schon weil ich ja nicht mehr der Jüngste war. Aber Kraft dazu, in eine neue Zukunft hineinzudenken und für sie zu wirken, mich aber auch in ihr zu behaupten, verspürte ich.
Mein Glück bei alledem war, dass ich schon Rentner war. Ich musste mir keine neue bezahlte Arbeit suchen, um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Ich...