Protagonisten
Beleuchtungsweisen des Tragischen
Zu Hans-Thies Lehmanns „Tragödie und dramatisches Theater“
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Theater der Zeit: Jammer und Glorie – Der Regisseur Krzysztof Warlikowski (12/2014)
Assoziationen: Akteure
Beleuchtungsweisen des Tragischen
Zu Hans-Thies Lehmanns „Tragödie und dramatisches Theater“
von Joachim Fiebach
Das Buch legt dar, dass Tragisches entgegen vorherrschenden Auffassungen nicht als Gegebenheit, Inhalt oder Stoff anzusehen ist. Kriterium für das Tragische und so für Tragödie ist die Gestaltungart. Die Theaterentwicklung zwinge dazu, „die Frage nach dem Darstellungsmodus auf den Theatervorgang zu verschieben“ (S. 69). Tragische Gestaltungen oder eben Tragödien seien letztlich nur als Theaterphänomene zu verstehen und, wie ausführlich argumentiert, im Aufdecken ihrer je reichhaltigen theaterkünstlerischen Verfahren und Mittel adäquat zu behandeln. Einleitende Sätze zum abschließenden Teil „Tragödie und postdramatisches Theater“ umreißen die Perspektive bzw. den theoretischen Ausgangspunkt und den Wertungsmaßstab, mit denen Denken und Praktiken tragischen Theaters in Europa, vor allem des tragischen Dramas seit der Renaissance diskutiert werden: „Wir haben die Unterscheidung getroffen zwischen einem Denken des Tragischen als Qualifizierung einer bestimmten Art von Konflikten bzw. ihrer Erfahrung – mit dem Höhepunkt dieser Tradition in Hegels Ästhetik – und dem Tragischen als exemplarischer Manifestation einer Gewalt und Energie des Bruchs, der Überschreitung, der Maßlosigkeit, des Exzesses, sofern damit eine immanente Selbstgefährdung und vollzogene oder drohende Vernichtung verknüpft ist. Und wir hatten betont, daßzwar die beiden Perspektiven als zwei Beleuchtungsweisen zu denken sind, nicht als einander...