Sofia, 1. März 2014. Es ist der Tag von Baba Marta, Großmutter März: der bulgarische Lenz. Überall in der Stadt stehen Stände mit kleinen rot-weißen Martenizi, das sind Armbänder, Anhänger oder kleine Püppchen, sie kosten wenige Stotinki, man schenkt sie Familie und Freunden. Talismane für Gesundheit – rot steht für rote Wangen, weiß für weißes Haar. Das lange, gesunde Leben. Entdeckt man ein erstes Frühlingszeichen, einen blühenden Baum oder eine Schwalbe, hängt man sie an einen Ast oder legt sie unter einen Stein. Und wünscht sich etwas Schönes.
Viele Wünsche hängen im März in den Ästen von Sofias Bäumen.
„Was ist der schmerzvollste Punkt, mit dem du in deinem Land zu ringen hast?“, fragt Irina Andreeva, Schauspielerin und Autorin. Einige Mitglieder der Theatergruppe Replica sitzen mit ihrem Regisseur Georg Genoux bei süffigem Rotwein in einem urigen Verschlag beieinander – angeblich die Sofioter Lieblingskneipe von Dimiter Gotscheff –, eher eine dunkle Höhle, verraucht und kerzenerleuchtet, man glaubt es sofort. Was am meisten schmerzt? Die Antwort ein Schweigen. Alles, was sich jetzt sagen ließe über den Zustand Deutschlands, seine ganz eigenen Wunden, die Nöte, scheint nichtig, belanglos. Jedenfalls jetzt und hier, in Sofia, Bulgarien, nach der Vorstellung des Dokumentartheaterstücks mit dem Titel...