Kolumne
Unter dem großen N sollt ihr marschieren!
Erschienen in: Theater der Zeit: Für eine kurze, lange Minute – Die Schauspielerin Valery Tscheplanowa (05/2014)
Assoziationen: Debatte
Trommelwirbel, erwartungsvolle Blicke, Handtrichter um Ohren, tupfende Taschentücher auf Stirnen, weit aufgerissene Augen – ich nehme meinen Zylinder, dann trete ich nach vorne, betrachte noch einmal meine perfekt geputzten Schuhe, genieße für eine Sekunde die Atmosphäre und sage: „Meine Damen und Herren – heute möchte ich mit Ihnen über eine Sache sprechen, die Sie ganz sicher nicht erwartet hätten.“
Die Anspannung ist kaum zu erhöhen. Den Herren treten Adern auf die Stirn, die Damen fächern sich Luft zu (Pardon, Sexismusfalle: natürlich andersrum). Hinten drohen einige zu ersticken. Wäre der Raum ein Ballon, er würde jetzt platzen.
Der Spot geht an, ich rieche an der weißen Tulpe in meinem Knopfloch, trete in das Licht und sage: „Ich möchte heute mit Ihnen über diese eine Sache sprechen, die ich für das Wichtigste erachte, für die nächste große Entwicklung, der nötige kommende Rotationspunkt für uns Kreative, nein, für uns Menschen des noch jungen dritten Jahrtausends, heute und in Zukunft.“
Jetzt ist es komplett still. Und die Stille ist nicht zu überbieten: Es ist die der Schützengräben. Es ist die Stille vor dem Startschuss. Es ist die Stille vor dem Aufprall der Atombombe. Es ist die Stille der Kreativindustrie, die auf Zugang zu dem...