Magazin
Mit lässiger Sachlichkeit
Zum Tod des Dramaturgen und Theatertheoretikers Hans-Joachim Ruckhäberle
von Stefan Hageneier
Erschienen in: Theater der Zeit: Schauspiel Leipzig – Martin Linzer Theaterpreis 2017 (06/2017)
Vor Kurzem noch hatten meine Frau und ich Hans-Joachim Ruckhäberle und seine Frau zum Abendessen eingeladen. Sie blieben bis spät in die Nacht, und er berichtete voller Tatendrang, was er mit „seinen beiden Dieters“, wie er es ausdrückte, den Regisseuren Dieter Dorn und Dieter Wedel, so alles plane. Er erzählte von seinen letzten Theaterpremierenbesuchen, seine Neugierde war ungebrochen. Nun sitze ich vor diesem Nachruf und möchte ständig zum Telefon greifen und ihn fragen, wie er dieses und jenes denn nun wirklich sieht und was ich in diesen Nachruf schreiben soll.
Das erste Mal traf ich Hans-Joachim Ruckhäberle 1990 in Oberammergau, in einem umfunktionierten Kino, in dem Christian Stückl „Was ihr wollt“ inszenierte. Ich war achtzehn Jahre alt, noch Schüler an der örtlichen Holzbildhauer-Schule und baute mein erstes Bühnenbild. Und dann gleich „hoher Besuch“ aus München! Ruckhäberle, die langen Haare zum Pferdeschwanz gebunden, saß rauchend, seine hagere Statur s-förmig um den Bistrotisch gebogen, in der Ecke. Ich war beeindruckt. Ein echter Intellektueller! Er sah aus, als käme er eher aus Paris denn aus München.
Der Chefdenker des Bayerischen Staatsschauspiels – man könnte annehmen, das sei der weltfremdeste, entrückteste Mitarbeiter eines Theaters. Doch gerade er war es, der sich in der „echten“...