Was dazwischenkommt beim Intervenieren
(Nazis, Renovierungen, alltägliches Vergessen)
von Kai van Eikels
Erschienen in: Recherchen 156: Ästhetiken der Intervention – Ein- und Übergriffe im Regime des Theaters (04/2022)
Die ökonomisch-militärische Intervention und die künstlerische Intervention haben gemeinsam, dass ihre stärkste Wirkung meist nicht in den Veränderungen besteht, die sie innerhalb des Interventionsfeldes erwirkt, sondern in der Definition dieses Feldes. Interventionen weisen das, worin sie intervenieren, als interventionsbedürftig aus. Sie formulieren ein ›So kann es nicht weitergehen‹, und was immer im Einzelnen aus ihnen und durch sie herauskommt, trägt dazu bei, die Evidenz dieses So-nicht-weitergehen-Könnens zu erhärten. Interventionen sind kritisierbar, aber sie sind gewissermaßen unwiderlegbar. Man kann die Verhältnismäßigkeit ihrer Mittel bezweifeln, gegen diesen oder jenen Punkt der Begründungen Einwände erheben, verborgene Motive hinter den offiziellen argwöhnen, Fälle aus der jüngeren Geschichte aufzählen, in denen vergleichbare Aktionen das gesetzte Ziel verfehlten. Wer indes der Logik der Intervention als solcher das Einverständnis verweigern wollte, wäre zum Komplizen all jenes Schlimmen gestempelt, das der Fortgang des indizierten Geschehens bringt. Intervenieren treibt diejenigen, die nicht mitziehen, in die Fänge einer Unterlassungsschuld.1
Wo künstlerische Interventionen sich politisch legitimieren, übernehmen sie damit noch etwas anderes von der ökonomisch-militärischen Intervention: den Verweis auf eine Notwendigkeit, die das Willkürliche der Entscheidung zum Intervenieren in sich aufnimmt und entweder aufhebt oder bis auf Weiteres zum Schweigen bringt. Beschließt ein Staat, eine Allianz von Staaten oder...