Musiktheater
Mut zum Musiktheater
von Ernst Krause
Erschienen in: Theater der Zeit: Diskussionen ohne Grundlage (11/1946)

Wir können, wir wollen nicht mehr wie gestern Theater spielen, und wir ringen auch um einen neuen Stil der Oper.
Wie war es doch in der „guten alten Zeit“? Naturhafte, leidenschaftliche Sänger, ein Dirigentenpraktikus und ein brauchbares Orchester, dazu ein paar naturalistisch primitiv bemalte Kulissen auf einer Guckkastenbühne - und die „Oper“ war fertig. Außerhalb der deutschen Grenzen, vor allem in den repräsentativen Häusern des Westens, des Südens und Amerikas, ist das heut noch so. (Berichte von russischen Operninszenierungen haben uns freilich längst aufhorchen lassen.)
Für den Deutschen ist die Szene indessen schon seit zwei Jahrzehnten die halbe Oper. Durch das Gesamtkunstwerk Richard Wagners ist er immer anspruchsvoller geworden. Die Oper, die unwahrscheinlichste aller Kunstgattungen, wird den Regeln strenger dramatischer Logik unterworfen. Einfallsreiche Regisseure, oft aus den Bereichen des Schauspiels, treiben den Sängern, die von Natur aus meist keine darstellerischen Talente besitzen, die stereotypen Operngesten aus, lockern die steifen Chöre auf und setzen sich oft kühn über die Vorschriften des Autors hinweg. Die Folge ist klar: ein anregendes, fesselndes Szenenbild. Alle, längst verbrauchte „Schinken“ erscheinen in ganz neuem Lichte und erregen wieder Interesse.
Soweit war alles in Ordnung. Aber mit dem gleichen Tempo, mit dem sich die dröhnenden Fanfaren und...