Lotfi Achour – Auf dem Weg zu einem dramatischen und dokumentarischen Theater
von Valérie Baran
Erschienen in: Recherchen 104: Theater im arabischen Sprachraum – Theatre in the Arab World (12/2013)
Lotfi Achour ist ein Kind der Médina von Tunis. Hier wird er im Alter von vier Jahren eingeschult und besucht gleichzeitig die Koranschule. In einem langen Interview mit Bernard Magnier für die Zeitschrift des Pariser Theaters TARMAC erzählt er: „Ich ging jeden Tag von einem alten, schönen und baufälligen Palast, der uns als Grundschule diente, in eine winzige und sehr unscheinbare Moschee zum Koranunterricht. Dort gab es einen hübschen kleinen Garten mit einer Bananenstaude darin und einer gezähmten Schwalbe, die wir streicheln durften. Dieser Ort hat mich sehr geprägt. Ich komme aus dem Viertel Bab Souika, das ist so etwas wie das kulturelle Zentrum der Altstadt und sehr bekannt für seine beliebten ‚singenden Cafés‘. In ihnen konnte man üppige Tänzerinnen à la Fellini beobachten, die sich mit beeindruckender Virtuosität und Sinnlichkeit bewegten. Das ging während des gesamten Ramadan sogar bis in die Morgenstunden hinein. Meine Freude am Theater kommt vielleicht daher.“
Lotfi beginnt mit dem Theater in der Sekundarschule in Tunis, mit ungefähr elf Jahren, aber er verfolgt zunächst lange die Idee einer politischen Karriere, denn das Gemeinwesen interessiert ihn sehr. Er fühlt sich stark mit der Gesellschaft verbunden, in der er lebt, und verspürt das dringende Bedürfnis, ihre Entwicklung...