„Ist das eigentlich Schulstoff?“, fragen sich Besucher des Plauener Theaters beim angeregten Gespräch nach der Vorstellung. Die angesprochene Zielgruppe der Heranwachsenden ist jedenfalls auffallend zahlreich vertreten und applaudiert mit dem heute üblichen Begeisterungskreischen. Es ist nun einmal der unnachahmliche Brecht, der kapitalistische Funktionsmuster exemplarisch und lebenswirklich auf die Bühne gebracht hat wie hier in der „Heiligen Johanna der Schlachthöfe“. Der „Sickereffekt“ – wenn die ganz oben viel mehr haben, kommt auch ganz unten etwas mehr an – und staatliche Abfederung mildern zwar heute Elendsfolgen. Aber Ausbeutungsmechanismen erkennen offenbar auch heutige Jugendliche wieder.
Der Plauen-Zwickauer Intendant Roland May kann solche Parabeln plausibel erzählen. Er hat bei Heiner Müller gelernt und den Grundwiderspruch des Kapitalismus als Schulstoff verinnerlicht. Seiner Johanna-Version muss man erst einmal ihre Durchschaubarkeit und Verständlichkeit zugutehalten. Denn Systemerkenntnis könnte auch durch das Bemühen gefährdet werden, die komplexen Wirtschaftshandlungen um den Fleischkrieg zu Chicago möglichst detailgenau zu veranschaulichen. Die Tricks muss man nicht im Einzelnen verstehen, um auch in Plauen die Moral mitzunehmen, dass die Besitzenden immer oben bleiben und die Habenichtse stets verlieren.
Zur Entstehungszeit des Großwerkes während der 1929 beginnenden Depression waren die Verhältnisse auch noch durchschaubarer zu personalisieren. Heute verwirrt die Zwitterstellung des Shareholders eindeutige Frontstellungen. Mauler...