8. Shared Personality
von Wolfgang Engler
Erschienen in: Authentizität! – Von Exzentrikern, Dealern und Spielverderbern (03/2017)
Man selbst sein, indem man sich selbst regiert – geht es heute nicht genau darum: um die Verwirklichung des originären Sinns von Authentizität durch alle, überall, in allen Kontexten? Sind wir darauf vorbereitet, endlich zu uns selbst befreit zu werden? Bleibt uns eine andere Wahl, als stets wir selbst zu sein, verantwortlich für unsere materielle Existenz, unsere gesellschaftliche Stellung wie für unseren Augenaufschlag? Die Entkollektivierung der Lebensweisen, die sich nach 1989 im globalen Maßstab vollzog und weiter beschleunigt, vervielfachte die Zahl der ‚Selbsthelfer‘ im selben Zuge, in dem sie deren sozialen Rückhalt schwächte. Die „volkseigene“ Erfahrung verblasste ebenso wie die der „Solidargemeinschaft“ West. Erben ohne Erbschein, was wurde aus der Hinterlassenschaft, wer nahm sie in Besitz? Wie steht es um unsere Art der Selbstregierung, der Selbstsorge?
Die zieht, wenigstens auf den ersten Blick, noch immer die vertrauten Bahnen, nur dass diese breiter wurden. Das einstige Standesprivileg, Zeit nur für sich zu haben, genießen nunmehr viele. Man erweist sich Aufmerksamkeit, gönnt sich Zuwendung, streichelt Körper und Seele, „Hauptsache gesund“, schält Alltagsvollzüge aus der Hülle ihrer bloßen Nützlichkeit heraus und kultiviert sie, konsultiert Ratgeber, meditiert, wie ehedem, legt sich eine Lebensphilosophie zurecht, entwickelt weniger einen ‚Charakter‘ als vielmehr eine ‚Persönlichkeit‘ – und...