Lesen proben. Lesend proben.
Gedanken über Gerhild Steinbuch
von Teresa Kovacs
Erschienen in: Recherchen 167: Dramatisch lesen – Wie über neue Dramatik sprechen? (05/2023)
Assoziationen: Kritiken
Eine Woche vor Beginn des Herbstsemesters und mitten in einem langen COVID19-Sommer, den ich in Bloomington im südlichen Indiana ausgeharrt habe, trifft am 23. August 2020 plötzlich ein E-Mail von Ferdinand Schmalz ein. Dieses E-Mail hat sofort mein Interesse geweckt (abgesehen von der Freude, die ich immer verspüre, wenn ich von Ferdinand höre), denn der Betreff »Dramatisch lesen« hat in dieser speziellen Situation besondere Resonanz in mir ausgelöst. Einerseits haben mich die Erfahrung der plötzlichen Trennung vom Theater und die anhaltenden Diskussionen um die Schließung bzw. Migration aller Theater in den virtuellen Raum zu einer erneuten Befragung der Kunstform und meines Interesses daran angeregt. Wieso bin ich bislang regelmäßig ins Theater gegangen? Was macht die spezielle Erfahrung aus? Wieso fehlt mir jede Geduld, Inszenierungen online anzuschauen? Wieso scheine ich mich plötzlich nicht mehr für Theater zu interessieren, jetzt, wo ich es ganz gemütlich vom Wohnzimmer aus konsumieren kann?
Was bleibt also, wenn die Theater geschlossen sind? Dramatisch lesen. Aber auch hier fühle ich den Verlust, denn sofort kommt in den Sinn, was uns Theaterwissenschaftsstudierenden in den nuller Jahren in den ersten Wochen unseres Studiums mit Referenz auf Hans Thies Lehmanns Postdramatisches Theater und Erika Fischer-Lichtes Ästhetik des Performativen klargemacht wurde:...