Hervé Guiberts Protocole compassionel ist kein „Mitleidsprotokoll“. Das klingt nicht nur anders, sondern reduziert den Roman auch auf etwas, was er so nicht ist. Wenn Guibert in seiner Passionsgeschichte vom Leiden erzählt, von der Leidenschaft und den Gefühlen eines an Aids erkrankten Mannes von Mitte dreißig, dann sucht er kein Mitleid. Beim Blick in den Spiegel sieht er einen skelettierten Leib und kann doch nicht behaupten, „dass ich Mitleid empfand für diesen Typen, es kommt auf den Tag an, manchmal scheint es mir, er wird es schaffen, denn schließlich sind Leute aus Auschwitz zurückgekommen, andere Male ist es klar, dass er verurteilt ist, unterwegs zum Grab, unausweichlich“. Und als wisse der Verlag, wie wenig überzeugend der deutsche Titel für die komplexe Geschichte ist, setzt er ihn nur kleingedruckt auf den Umschlag. Größer und deutlicher erscheint darunter der Name des Autors: Hervé Guibert, 1955 geboren, Romancier, Fotograf und Fotokritiker, in den achtziger Jahren an der Immunschwäche Aids erkrankt und am 27. Dezember 1991, zwei Wochen nach einem Selbstmordversuch, nahe Paris gestorben.
Mit seinem dreizehnten Buch, Der Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat, war Hervé Guibert im vergangenen Jahr auch hierzulande bekannt geworden. Der Versuch einer literarischen Selbstenthüllung, der...