Magazin
Gestern war der Ball
Zum Tod des Schauspielers und Sängers Manfred Krug
von Gunnar Decker
Erschienen in: Theater der Zeit: Wie es euch gefällt – Christian Friedel vertont Shakespeare (12/2016)
Als Manfred Krug 1977 die DDR verließ, hörte er auf jung zu sein. Mit 40 Jahren begann im Westen das Nachleben, vor allem mittels Fernsehserien („Auf Achse“, „Sesamstraße“, „Tatort“, „Liebling Kreuzberg“). Es folgten auch selbst geschriebene kluge Bücher wie „Abgehauen“ (1996) und „Mein schönes Leben“ (2005).
Aber das Eigentliche lag davor, in den sechziger und frühen siebziger Jahren. Krug in „Auf der Sonnenseite“, „Beschreibung eines Sommers“, „Weite Straßen, stille Liebe“ und vor allem „Spur der Steine“ von Frank Beyer, jenem Film, den 1966 in der DDR nur wenige zu sehen bekamen, so schnell wurde er wieder verboten. Seine Rolle darin: der Arbeiter als charmanter Cowboy, bei dem man immer damit rechnen muss, dass er schneller als sein Gegenüber den Colt zieht, also eine böse Pointe abschießt. Krug als kraftstrotzender Anarchist Balla auf der Großbaustelle Schkona belebt die betongraue Ordnung in der DDR nach dem Mauerbau. Da ist jemand von Natur aus frei, hat vor nichts und niemanden (höchstens vor schönen Frauen) Angst – so einen Typ wie ihn gab es vorher und nachher nicht in der DDR. Mit dem Erscheinen von Manfred Krug wurde die von Parteibürokraten regierte DDR plötzlich poetisch: eine Verheißung. Man denkt an Jean Gabin, Jean-Paul Belmondo...