Unbehauster Körper, unbehauster Klang
von Barbara Frey
Erschienen in: Alles Katastrophe! – Bühnen – Martin Zehetgruber (06/2023)
Assoziationen: Kostüm und Bühne Martin Zehetgruber
Man könnte von mir als Regisseurin eigentlich verlangen, dass ich nach zweimonatiger Probenzeit ein Bühnenbild „verstanden“ haben müsste.
Ich schaue jeden Tag stundenlang darauf, lasse die Menschen sich darin bewegen, sprechen oder singen, und am Ende, wenn dann die Probendekoration verschwunden, die Originalbühne aufgebaut ist und die ganze Beleuchtung dazukommt, müsste der große Erkenntnismoment da sein: Jetzt ist alles schlüssig, jetzt „passt“ alles, jetzt weiß ich, wo ich bin.
In den Bühnenwelten von Martin Zehetgruber gibt es diesen Moment für mich nicht. Das Entdecken geht nach einer Premiere weiter, die Unsicherheit bleibt, das produktive Nichtwissen, das Tasten und Fragen. Das beschreiben die Schauspieler:innen und Sänger:innen, die sich in diesen Welten aufhalten, ebenso.
Zehetgrubers Bilder mögen bisweilen monumental anmuten – stattdessen sind sie zarte Seelengehäuse. Sie sind Nachtbauten, das All und die entfernte Milchstraße sickern in sie ein. Auch das Tagwerk des Menschen kann darin verrichtet werden, aber man traut den Sonnenstrahlen nicht; sie scheinen von einem ewig nächtlichen Himmelskörper zu kommen, genauso wie das Tagwerk eher aus Schlaf und Traum kommt als aus einem irgendwie gearteten „Alltag“.
Seit meiner Kindheit habe ich eine große Faszination für Insekten. Da sie mir auch Angst machen und ich sie nicht verstehe, tauchen sie...