Das Festival als Fest
von Dirk Baecker
Erschienen in: Recherchen 99: Wozu Theater? (01/2013)
Soziologie des Fests
Auch ein Festival ist ein Fest. Genaue Planung, kluge Berechnung von Aufwand und Nutzen, Feinsteuerung von präzise gesetzten Gesten der Großzügigkeit auf der einen Seite begegnen einer erwartungsvollen Freude, feierlichen bis ausgelassenen Stimmung, einem lustvollem Austarieren von Sehen und Gesehenwerden auf der anderen Seite. Das Fest ist örtlich bestimmt, zeitlich befristet, meist auch in seinen Inklusions- und Exklusionsregeln alles andere als freizügig und zielt dennoch und im Rahmen aller dieser Begrenzungen auf das Unkalkulierbare, das Verschwenderische und das Überraschende, auf den Rausch absichtsvoll absichtsloser Begegnungen, den Genuss nichtalltäglicher Speisen und Getränke.
Jede Soziologie des Fests, spärlich wie sie ist, unterrichtet darüber, dass sich das Fest aus der Differenz zum Alltag bestimmt, vom Alltag entlastet, aber auch auf den Alltag reflektiert und wieder vorbereitet. Man kann nicht jeden Tag feiern. Man könnte aber auch nicht auf das Feiern ganz verzichten. Vermutlich ist dies in allen menschlichen Gesellschaften eine erste Kontingenzerfahrung, an die unzählige andere anschließen können: Es gibt den Alltag und es gibt das Fest. Beide unterliegen unterschiedlichen Regeln, rücken andere Verhaltensmöglichkeiten in den Blick, kennen andere Typen sozialer Begegnungen, persönlicher Stilisierung, wechselseitiger Verführung und tastend erprobenden, aber auch mutwillig aufdringlichen Redens. „Sociocultural reality was constructed only when...