Politische Kunst gibt es nicht
von Alexandra Kedves und Milo Rau
Erschienen in: Die Enthüllung des Realen – Milo Rau und das International Institute of Political Murder (11/2013)
Alexandra Kedves / Milo Rau
Alexandra Kedves Herr Rau, der Staat scheint sich vor Ihrem Projekt gefürchtet zu haben.
Milo Rau Das machte mich wirklich fassungslos. Eben hatte unser Staatsanwalt die Pussy-Riot-Vertreterin nach den Motiven für ihre Performance in der Kirche gefragt, sie sprach von eingeschränkter Kunstfreiheit, und ta-da, marschierten Beamte der Migrationsbehörde herein und behaupteten, ich hätte kein gültiges Visum. Es kam zum Hickhack zwischen meinen Anwälten – die waren ja da – und den Beamten. Ich sah schon meinen engen Terminplan mit Dreharbeiten platzen, aber nach zwei Stunden zogen sie wieder ab.
Kedves Das blieb nicht der einzige Zwischenfall. Waren Sie geschockt?
Rau Im Gegenteil: Allein für das, was als Nächstes geschah, haben sich die „Moskauer Prozesse“ gelohnt! Da stürmte eine Horde orthodoxer Kosaken vor den Saal und eine kleine Abordnung kam herein. Sie wollten randalieren, explodierten schier vor Gewaltbereitschaft. Normalerweise kommen sie nur zum Sacharow-Zentrum, um etwas zu demolieren. Und nun sehen sie ihren Helden, den religiösen Rechtsaußen-Journalisten und Fernsehguru Maxim Schewtschenko, in der ersten Reihe mitmachen! Als Staatsanwalt! Sie wirkten, als hätte sie ein Bus gestreift. Schewtschenko beruhigte sie dann. Doch diese tiefe Verwirrung, diese sichtbare Implosion ganzer Weltbilder: Das war völlig irre. Das wünsche ich...