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Film: Das herausgelassene Tier
von Ralf Schenk
Erschienen in: Theater der Zeit: Auftreten und leuchten – Gisela Höhne und das Theater RambaZamba (04/2014)
Es mutet heute wie ein Geniestreich an, dass Volker Schlöndorff die Rolle des Dichters Baal in der gleichnamigen Verfilmung von Brechts frühem Stück mit Rainer Werner Fassbinder besetzte. Baal und Fassbinder schienen wie füreinander geschaffen: in der ruppigen Distanz zur bürgerliche Gesellschaft; in der Negierung moralischer Regeln; in der unbändigen Lebensgier, so als gelte es, dem Tod jeden Tag aufs Neue ein Schnippchen zu schlagen. Fassbinder, der damals gerade begann, sich im Kinometier zu etablieren, ergriff die Chance, bei den Arbeiten zu Baal zu lernen, was es heißt, einen großen Spielfilm zu drehen. Schlöndorff nutzte Fassbinders Naturtalent, um Baal als versoffenen, Zigaretten fressenden, Frauen und Männer verschlingenden Künstler zu porträtieren: „Man muss das Tier herauslassen.“
44 Jahre war dieser Film nicht mehr zu sehen, weil Helene Weigel ihr Veto eingelegt hatte. Sie argumentierte, Brechts Idee sei nicht mehr erkennbar, die „Reaktion eines ungebrochenen Ich auf die Zumutungen und Entmutigungen einer Welt“ zu zeigen, „die selbst asozial ist“. Das klingt einigermaßen absurd, denn schon in den ersten Szenen des Films, in einem bürgerlich-literarischen Salon, kommt diese Asozialität sehr wohl zum Vorschein. Was auch immer also den Zorn von Brechts Witwe hervorgerufen haben mag – wir wissen es nicht genau. Ihre Tochter...