Die in dieser Studie untersuchten Ansätze der Textarbeit bringen verschiedene vielstimmige und polysemantische Sprechweisen als Erscheinungsformen einer performativen Spielpraxis hervor. Es wurden Formen des chorischen, polyphonen, intervokalen und mikrofonierten Sprechens sowie des Zitierens und Reflektierens herausgearbeitet. Gemeinsam ist diesen Erscheinungsformen und Herangehensweisen, dass sie die Materialität des Spielens und Sprechens ausstellen, Mehrdeutigkeiten offenhalten sowie den Raum für eine ästhetische Erfahrung öffnen.
9.1 Ausgestellte Materialität: Veränderung von Hörgewohnheiten
Die musikalische Arbeit am Text steht in den in dieser Studie beschriebenen Beispielen im Zusammenhang mit der chorischen Textarbeit. Der Chor bricht im zeitgenössischen Theater mit den traditionellen Darstellungsnormen eines „psychologischen Protagonistentheaters“ (Kurzenberger 2009a, 23). Chorische Darstellungsformen ermöglichen einerseits die Fragmentierung und Zergliederung des auf Einheit und Ganzheit basierenden autonomen Individuums, so wie es für die Faust-Produktion des Konzerttheaters Bern beschrieben wurde, andererseits bilden sie, wie wir bei Lösch sehen, im Zusammenschluss vieler Körper den „Chor-Körper“.
Er ist und bedeutet Ausdehnung, Vergrößerung, Erweiterung. Er kann dabei fragil oder massiv, durchlässig oder kompakt, starr oder dynamisch sein. Im Chor und mittels Chor wird der Körper als offenes und geschlossenes System erlebt, als fluides und festes Medium sicht- und erfahrbar. (Kurzenberger 2009a, 23)
In der Erfahrbarkeit einer chorischen Formation, in ihrer gebündelten Präsenz liegt...