Theater der Zeit

Vorwort

von Isabel Raabe und Franziska Sauerbrey

Erschienen in: Moldova Camping – Republik Moldau – Kunst, Theater und getrockneter Fisch (03/2010)

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Im März 2008 fuhren wir gemeinsam mit den Autorinnen Tanja Dückers, Nicoleta Esinencu und Journalisten zur Vorbereitung unseres Projektes ‚Moldova Camping‘ für eine Woche nach Transnistrien. Transnistrien: eine Region in der Republik Moldau, die 1990 ihre staatliche Souveränität erklärte, die jedoch von keinem Staat der Welt anerkannt wird. Im Zuge dieser staatlichen Ver-Selbständigung übernahm ein kommunistisches Regime die Regierungsgeschäfte – es definierte eigene Landesgrenzen und führte eine neue Währung, den „transnistrischen Rubel“, ein. Um dieses „Museum des Kommunismus“ zu betreten, muss man „Eintritt“ zahlen, Akkreditierungen und Einladungen vorweisen – nicht nur wir Ausländer, sondern selbst Nicoleta Esinencu, als Moldauerin zu Besuch bei ihren eigenen Landsleuten. Abwegigkeiten, vergleichbar denen, die uns bereits bei der Einreise ins Land begegneten, zogen sich wie ein roter Faden durch unsere Reise und unsere Arbeit an ‚Moldova Camping‘ bis hin zur abschließenden organisatorischen Abwicklung: Wie rechnen wir als Künstlerische Leiterinnen und Produzenteninnen unser öffentlich gefördertes Projekt in einer Währung ab, die gar nicht existiert? Die Republik Moldau und Transnistrien stehen nur selten im Licht der Weltöffentlichkeit. Wenn, dann verbindet diese mit den beiden Landesteilen überwiegend Schreckensmeldungen: Bürgerkrieg und Korruption, Organhandel und Waffenschmuggel, Folter und Gewalt.

Mit ‚Moldova Camping‘ wollten wir die Republik Moldau jenseits der kargen und einseitigen Medienberichterstattung sichtbar machen und Interesse für eine Auseinandersetzung mit diesem Land wecken. Unser Fokus richtete sich dabei auf moldauische Kunst und Kultur wie auch auf den Lebensalltag der Moldauer.

Einige der Künstler, die bei ‚Moldova Camping‘ mitwirkten, haben wir bereits im Rahmen unserer Arbeit für relations, einem Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes, kennen gelernt. Gut zwei Jahre nach Beendigung des relations-Programms wollten wir wissen: Was ist aus den Künstlern von damals in der Zwischenzeit geworden? Leben sie überhaupt noch in Moldau oder müssen wir unsere Einladungen vielleicht nach Irland schicken, wo sie sich als Kellner oder Reinigungskraft über Wasser halten? Haben sich ihre Sichtweisen und damit ihre künstlerischen Positionen verändert? Zahlreiche Künstler und Kulturschaffende aus der Republik Moldau nahmen 2008 am spartenübergreifenden Theaterfestival ‚Moldova Camping‘ teil. Sie präsentierten ihre Arbeiten am 17. und 18. Juni im Berliner Theater Hebbel am Ufer. Teile des vielfältigen, umfangreichen Programms – darunter ein Theaterstück, szenischen Lesungen, Performances, Filme, ein Automatenshop und Vorträge – wurden außerdem Anfang April im rumänischen Iasi sowie am 15. Juni beim Festival ‚Theaterformen‘ in Braunschweig und Ende Juni im Bukarester Goethe-Institut aufgeführt. Die Künstler sahen sich mit einer Vielzahl von Fragen konfrontiert, die die interessierten Zuschauer im Rahmen der Veranstaltungen an sie richteten: Auf die meisten davon fanden sie Antworten – wenn auch häufig unerwartete. Um auch all denjenigen Interessierten, die das Theaterfestival nicht live erleben konnten, die Möglichkeit zu geben, sich ein umfassenderes Bild von der Republik Moldau zu machen, haben wir uns für diese Publikation entschieden. Die hier versammelten Texte entstanden alle im Rahmen des Projektes ‚Moldova Camping‘, reichen aber über das Festival selbst hinaus.

2009 wandten wir uns dem Kosovo zu, um Künstlern und Intellektuellen dieses jüngsten europäischen Landes eine Stimme zu geben – jenseits der politischen Konferenzen zu Völkerrecht und Volkswirtschaft (bei denen meist mehr internationale Experten als Kosovaren selbst zu Wort kommen). Es entstand das Nachfolgeprojekt ‚Hotel Prishtina – das Kosovo packt aus‘, das im Juni 2009 ebenfalls im Theater Hebbel am Ufer in Berlin zu sehen war. Eine Publikation ist in Planung.

Sehr herzlich danken möchten wir Michael Thoss, Leiter der Allianz Kulturstiftung, und Sabine Hentzsch, ehemalige Leiterin des Goethe-Instituts Bukarest, für die Ermöglichung dieser Publikation. Weiterer Dank gilt der Unterstützung des Hauptstadtkulturfonds, der Allianz Kulturstiftung, der Bundeszentrale für politische Bildung, des Goethe-Instituts sowie des Stabilitätspaktes für Südosteuropa für die Finanzierung des Projektes ‚Moldova Camping‘.

Isabel Raabe und Franziska Sauerbrey, Berlin im Januar 2010

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